bFRB belasten Betroffene oft stark. Aber man kann diese auch gezielt behandeln.
Nägelkauen, Fingerpulen, Haareausreißen, Hautaufkratzen – In einer psychisch unaufgeklärten Gesellschaft wird das leider immer noch als „schlechte Angewohnheit“ gesehen. Als ob Betroffene das so einfach lassen könnten.
BFRB - Was sind körperfokussierte, repetitive Verhaltensweisen und wie kann man sie behandeln?
BFRB steht für Body-Focused Repetitive Behavior, also körperfokussierte, repetitive (wiederholende) Verhaltensweisen. Dabei handelt es sich um psychische Störungen, die durch wiederholtes, zwanghaftes Manipulieren der eigenen Haut, Haare oder Nägel und Fingerhaut gekennzeichnet sind. Zu den verschiedenen Formen von BFRBs gehören #SkinPicking (#Hautaufkratzen), #Trichotillomanie (Haareausreissen) und #Onychophagie (#Nägelkauen). Aber auch noch andere Formen wie Wangen- und Lippenbeißen, ständiges aktives #Gelenkknacken und zwanghaftes #Nasebohren gehören dazu. Diese Verhaltensweisen können zu erheblichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen führen, wie Schmerzen, Infektionen, Narbenbildung, Schamgefühlen, Vermeidungsverhalten, sozialem Rückzug und Depressionen. Daraus entsteht ein emotionaler Teufelskreis, der das Verhalten intensivieren kann.
Teufelskreis „Druck-Erleichterung-Scham“
Viele Betroffene wissen nicht, dass es sich bei dem Verhalten um eine Störung handelt und nicht um eine vom sozialen Umfeld regelmäßig stigmatisierend und abwertend bezeichnete „schlechte Angewohnheit“. Ein „Lass das doch mal!“ fördert geradezu nur das Schamgefühl und den Verhaltensdruck aufgrund von Unterdrückung. Und das intensiviert dann wieder die Störung. Denn Betroffene können das Verhalten nicht dauerhaft unterbinden, es hat zwanghaften Charakter. Erst mit und nach der Handlung ist ein kurzer Moment der Erleichterung zu verspüren, rasch gefolgt von Scham. BFRBs sind letztlich ernstzunehmende psychische Störungen, die das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen können.
Häufigkeit: Bis zu 60 % der Bevölkerung haben laut aktuellen Studien leichte (subklinische) Formen von #BFRB ohne somatische oder psychische Schäden. Ca. 20 % aller Menschen (also jeder Fünfte) entwickeln über ihr Leben aber eine oder mehrere ausgeprägte BFRB. Zumindest kann daraus schon einmal abgleitet werden: Betroffene sind nicht allein! Allein fühlen sie sich lediglich durch soziale Abwertung seitens einer unaufgeklärten Gesellschaft und durch Scham.
Ursachen
Die genauen Ursachen von BFRBs sind noch nicht vollständig erforscht. Es gibt Hinweise auf eine genetische Veranlagung, neurobiologische Faktoren und psychosoziale Auslöser. BFRBs treten oft in Zusammenhang mit anderen psychischen Störungen auf, wie Zwangsstörungen, Angststörungen oder Essstörungen. Die Symptome können sich je nach Person, Situation und Stimmung unterscheiden. Das Verhalten dient teils der Emotionsregulation, oder auch der sensorischen Reizregulation. Es gibt daneben tiefenpsychologische wie auch systemische Erklärungsansätze. Es kann ein von anderen abgeschautes Verhalten, Folge einer vorhergehenden Erkrankung oder einfach eine Reaktion auf individuelle körperliche Eigenarten sein. Es gibt also nicht „die“ Ursache. Insgesamt besteht dazu noch viel Forschungsbedarf.
Behandlung
Viel entscheidender für Betroffene ist da eher das Wissen darüber, dass BFRB grundsätzlich behandelbar sind! Viele Betroffene sind verspüren bereits Erleichterung, wenn das Verhalten einen Namen bekommt, wenn sie erfahren, dass sie weder Schuld noch willensschwach, nervös, unsicher oder sonst irgendwas sind. Die Behandlung von BFRBs erfordert eine individuelle und ganzheitliche Herangehensweise, die sowohl die körperlichen als auch die psychischen Aspekte berücksichtigt. Die Therapie der Wahl ist derzeit die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), die darauf abzielt, die zugrundeliegenden Gedanken und Gefühle zu identifizieren und zu verändern, die zu den Verhaltensweisen führen. Die #KVT umfasst verschiedene Techniken, wie Selbstbeobachtung, Selbstkontrolle, Habit-Reversal-Training (#HRT), Exposition und Reaktionsverhinderung, Achtsamkeit und Entspannung. Die KVT kann einzeln oder in Gruppen durchgeführt werden. Spezifische Medikamente zur Behandlung von BFRBs gibt es nicht. Einige Personen können jedoch Untersuchungen zufolge durch die Einnahme von Antidepressiva und Medikamenten gegen Zwangsneurosen oder selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), Linderung erzielen.
In meiner Praxis arbeite ich mit speziell auf BFRBs ausgerichteter KVT, Achtsamkeit, Entspannung und dem HRT. Aufgrund eigener verblüffender und überzeugender Erfahrungen von und mit Patienten in der Behandlung von BFRBs unterstütze ich die Therapie zusätzlich durch den Einsatz von Hypnose, ebenso speziell ausgerichtet auf die Behandlung von BFRBs. Und: Sofern nach Anamnese und Diagnose einschränkende Begleiterkrankungen (z.B. Depression oder Instabilität) dem nicht entgegenstehen, kann daran infolge auch sehr gut im Onlinesetting gearbeitet werden.
Neben der professionellen Therapie können Betroffene auch von Selbsthilfegruppen profitieren, die einen Raum für Austausch, Unterstützung und Information bieten. Es gibt verschiedene Online-Plattformen und Foren für Betroffene von BFRBs , sowie Bücher und Ratgeber , die hilfreiche Tipps und Strategien enthalten.
Heutzutage gibt es gute Therapeutische Unterstützung
BFRBs als solche mussten über die vergangenen Jahrzehnte ja zunächst medizinisch erkannt, definiert und von anderen Phänomen abgegrenzt werden. Mit dem heute viel besseren Verständnis über BFRBs gibt es auch inzwischen moderne Therapiemöglichkeiten, die zudem die enormen Erkenntnisse aus moderner neuronaler Forschung einfließen lassen. Was noch vor einigen Jahrzehnten als "schlechte Angewohnheit" abgetan wurde, wird heute als Störung verstanden, der durch entsprechend ausgerichtete Therapieansätze gut begegnet werden kann.
Es gibt also wirksame Therapiemöglichkeiten und Selbsthilfeangebote, die eine Verbesserung der Symptome und der Lebensqualität ermöglichen können. Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, unter einer BFRB leiden, zögern Sie nicht, professionelle Hilfe zu suchen oder sich an eine Selbsthilfegruppe zu wenden. Gerne unterstütze natürlich auch ich Sie dabei therapeutisch.
Sie sind nicht allein mit diesem Problem und es gibt Hoffnung auf Besserung.
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